Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen

(Teil 1 Anwendungsbereich und deren Ausnahmen)

Das Internet oder gar andere Kommunikationsmittel bieten die Möglichkeit im Rechtsverkehr Verträge auf eine einfache Art und Weise abzuschließen, wobei die Gefahr an einen Betrüger zu gelangen, welcher seine Vertragspflichten bewusst nicht erfüllt, sehr groß ist. Der Gesetzgeber hat u.a. aufgrund der Tatsache, dass zwischen den Vertragsparteien kein persönlicher Kontakt gegeben ist und die Leistungen durch zum Beispiel den Kauf von Sachen ohne vorherige Kontrolle oder gar Besichtigung erfolgt sowie es zu vorschnellen Entscheidungen zum Vertragsabschluss kommen kann, konkrete gesetzliche Vorschriften zum Schutz des Verbrauchers geschaffen, welche ihm ein Widerrufs-und Rückgaberecht gewähren.

Die Juristen reden insoweit von Fernabsatzverträgen über Fernkommunikationsmittel. Die dahingehenden Regelungen befinden sich in den §§ 312 b ff BGB, auf welche in der fortlaufenden Artikelserie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung näher eingegangen werden wird.

Von Fernabsatzverträge spricht man, wenn ein Verbraucher mit einem Unternehmer Verträge über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen abschließt. Zu dem Vertragsabschluss muss es ausschließlich durch Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (z. Bsp. Internet, Telefon, E-Mails, Briefe oder gar Rundfunk ) gekommen sein.

Die § 312 b ff BGB kommen nicht bei allen Arten von Vertragsabschlüssen über Fernkommunikationsmittel zur Anwendung. Die Ausschlusstatbestände regelt das Gesetz konkret in § 312 b Abs. 3 BGB und § 312 d Abs. 4 BGB. Auf Grund der Vielzahl und der im Einzelnen manchmal sehr komplizierten Einordnung von Lebenssachverhalten, sollen lediglich beispielgebend hierfür die Finanzgeschäfte und die Veräußerung von Grundstücken genannt werden.

Ein Widerrufsrecht kann aber auch entfallen, wenn beispielsweise bei Verträgen zur Lieferung von Waren, wenn die Ware nach speziellen Kundenwünschen angefertigt bzw. auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten wurde oder bei der Lieferung von Audio- Videoaufzeichnungen sowie von Software, wenn der gelieferte Datenträger vom Verbraucher entsiegelt worden ist.

Mit den beiden letzteren genannten Gründen musste sich die Rechtsprechung schon des öfteren beschäftigen. Insoweit entschied der BGH (Bundesgerichtshof) in seiner Entscheidung vom 19.03.2003, Az.: VIII ZR 295/01, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers wegen der Anfertigung der Ware nach Kundenspezifikation nur dann ausgeschlossen ist, wenn der Unternehmer durch die Rücknahme der angefertigten Ware erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleidet, die konkret darauf beruhen, dass er die Ware erst aufgrund der Bestellung des Verbrauchers nach dessen besonderen Vorstellung angefertigt hat. Das Widerrufsrecht des Verbrauchers erlischt demnach nicht bereits schon durch den dem Unternehmer durch die Rücknahme der bereits produzierten Ware entstehenden Nachteil. Demnach kommen insoweit nur darüber hinausgehende besondere Nachteile des Unternehmers in Betracht, welche auf der Anfertigung nach Kundenspezifikation beruhen.

Soweit der Verbraucher Audio-Videoaufzeichnungen beziehungsweise Software auf einem Datenträger erworben hat und zu diesem Zweck die z.B. mit einem Thesastreifen verschlossene Verpackung zum Entnehmen des Datenträgers geöffnet hat, erlischt sein Widerrufsrecht dann nicht, wenn es sich hierbei nicht um ein „Siegel“ im Sinne des Gesetzes handelt, wovon ausgegangen werden kann, wenn es ohne weiteres durch den Verbraucher ersetzt werden kann (Landgericht Dortmund, Urteil vom 6. 20.10.2006,Az.: 16 O 55/06). 

Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen

(Teil 2 Informationspflichten des Unternehmers und deren Bedeutung für den Beginn der gesetzlichen Widerrufs- und Rückgabefrist)

Regelungen bis 10.06.2010

In Fortsetzung zu der laufenden Artikelserie über Vertragsabschlüsse unter Nutzung von Kommunikationsmitteln (z. Bsp. Internet, Telefon, E-Mails, Briefe oder gar Rundfunk ) ist zum Schutz des Verbrauchers im Gesetz des weiteren geregelt wurden, dass der Unternehmer rechtzeitig vor Abschluss des Vertrages den Verbraucher unter anderem über seine Identität und die Anschrift, über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung, wann der Vertrag zustande kommt, über die Mindestlaufzeit des Vertrages und zum Beispiel über das Bestehen eines Widerrufs-oder Rückgaberechtes zu informieren hat. Darüber hinaus sind die Informationen über die Bedingungen und Einzelheiten wie das Widerrufsrecht-oder Rückgaberecht ausgeübt werden kann und was die Rechtsfolgen der Ausübung dieser Rechte sind, sowie die konkrete Anschrift anzugeben, damit der Verbraucher die Möglichkeit hat, seine etwaigen Beanstandungen oder gar seine anderen ihm zustehenden Rechte anzuzeigen und die abgegebenen Erklärungen seinen Vertragspartners auch zukommen zu lassen. Hierbei ist zu beachten, dass immer ein Nachweis des Zugangs, insbesondere eines etwaigen Widerrufs, nachweisbar sicher gestellt werden sollte, da dies im Falle eines Streits hierüber von dem Verbraucher zu beweisen wäre. Die o.g. Informationen hat der Unternehmer dem Verbraucher so früh wie möglich, spätestens jedoch bis zur vollständigen Erfüllung des Vertrages, was zum Beispiel bei Waren deren Lieferungszeitpunkt wäre. In all den Fällen, in welchem sich der Unternehmer zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrages über die Lieferung von Waren oder Dienstleistungen eines Tele-oder Mediendienstes bedient, muss er dem Verbraucher technische Mittel zur Verfügung stellen, mit welchem er Eingabefelder bei der Bestellung erkennen und korrigieren kann sowie bereits zu diesem Zeitpunkt über die oben genannten Vertragsbedingungen unterrichten. Wenn es letztendlich zum Abschluss eines Vertrages gekommen ist, so steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht-oder Rückgaberecht zu, wobei die Widerrufsfrist von 14-Tagen nicht vor Erfüllung der vorgenannten Informationspflichten des Unternehmers beginnt. Dieses in Textform gegebene Widerrufsrecht nach § 355 BGB besteht ohne Vorliegen eines (weitergehenden) Grundes, wobei bei Verträgen über die Lieferung von Waren ihm ein Rückgaberecht nach § 356 BGB eingeräumt werden kann. Sind die oben genannten Informationspflichten des Unternehmers vor Vertragsschluss erfolgt, so beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage. Sollten die Informationspflichten erst nach Vertragsschluss (mit zum Beispiel Lieferung der Ware) erfolgt sein, so beträgt die Widerrufsfrist abweichend hiervon ein Monat. Da es zum 11. Juni 2010 eine Gesetzesänderung u.a. zu den Regelungen der Informationspflichten des Unternehmers und der konkret (inhaltlich) zu erfolgenden Widerrufsbelehrung geben wird, ist in der Praxis damit zu rechnen, dass die im Rechtsverkehr verwendeten Widerrufsbelehrungen noch zunehmender einer rechtlichen Prüfung nicht stand halten werden und hierdurch auch über die gesetzlichen Fristen hinaus noch ein Widerruf durch den Verbraucher möglich ist. Sollten sie im Streit mit ihrem Vertragspartner über die Verpflichtungen aus einem Vertrag sein oder gar deren Wirksamkeit auf Grund der Umstände des Zustandekommens Anlass hierfür sein, sollte fachkundiger Rat in Anspruch genommen werden, dessen Kosten im Falle des Bestehens einer dahingehenden Rechtsschutzversicherung von dieser übernommen werden.

Neue Regelungen ab den 11.06.2010

Zum 11.06.2010 wurden die Regelungen zum Fernabsatz und zum elektronischen Geschäftsverkehr aus der BGB Informationsverordnung in den neuen Art. 246 EGBGB übertragen. Bisher musste zwischen der 14-Tage-Frist und der Monatsfrist für einen etwaigen Widerruf unterschieden werden. Ab dem 11. 6. 2010 ist es für die anzuwendende 14-Tage-Frist ausreichend, wenn dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilt wird (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Widerrufsfrist von einem Monat gilt lediglich, wenn die Mitteilung nicht unverzüglich nach Vertragsschluss erfolgt, wobei unter unverzüglich die dem Unternehmer erste ihm zumutbare Möglichkeit verstanden wird, um dem Verbraucher -in der Regel innerhalb eines Tages-die Belehrung in Textform mitzuteilen.

Wertersatz nach erfolgtem Widerruf des Verbrauchers steht dem Unternehmer nur zu, wenn er gemäß § 357 Abs. 3 Satz 2 BGB darüber in Textform unverzüglich nach Vertragsschluss informiert, dass der Verbraucher zum Wertersatz für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache verpflichtet ist.

Neu eingefügt in das BGB wurden die Regelung in § 360 BGB, welche die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufs-und Rückgabebelehrung statuieren und im übrigen auf die Musterbelehrungen im EGBGB Bezug nehmen, welche, soweit sie vom Verwender (Unternehmer) übernommen werden, den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, was insoweit vermutet wird.