Kostentragungspflicht des Verkäufers für die Ein-und Ausbaukosten im Falle der Nachlieferung einer bereits vom Käufer bestimmungsgemäß verwendeten Sache beim Verbrauchervertrag

In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass Sachen verkauft werden, deren bestimmungsgemäßer Gebrauch eine Weiterverarbeitung durch Verbindung mit fremden Sachen Dritter oder gar eigenen Sachen nach sich zieht. Stellt sich erst nach dem Einbau bzw. der Verarbeitung der Kaufsache ein Mangel heraus, so ist fraglich, ob der Käufer, welcher nunmehr seine Gewährleistungsrechte durch Nacherfüllung, nämlich Mängelbeseitigung oder Nachlieferung einer neuen (mangelfreien) Sache geltend macht, im letzteren Falle auch die gegebenenfalls erforderlichen Kosten für die Beseitigung/den Ausbau der mangelhaften Sache und die des weiteren von ihm bereits (schon einmal) gezahlten Kosten für den Einbau der nunmehr im Wege der Nacherfüllung bekommenen (mangelfreien) Sache vom Verkäufer verlangen kann. Diese Frage stellt sich insbesondere deshalb, weil in der Regel ein Schadensersatzanspruch wegen dieser Kosten daran scheitert, da der Verkäufer in der Regel in den meisten Fällen die Mangelhaftigkeit der Sache nicht zu verschulden hat und auch keine positive Kenntnis vom Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache hatte und haben musste.

Ob ein dahingehender Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Ausbau besteht und dieser gegebenenfalls von § 439 II BGB gedeckt ist, sowie ob der Verkäufer die Nacherfüllung im Kaufrecht nach 439 Abs. 3 BGB wegen Unverhältnismäßigkeit verweigern kann, war unter anderem Grundlage der vom BGH an den EuGH gestellten (Vorlage-Vorabentscheidung Art. 234 Abs. 3 EG) Frage, inwieweit eine richtlinienkonforme Auslegung der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ("Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie") und insoweit insbesondere Art. 3 dieser Richtlinie, einen Anspruch im Wege der richtlinienkonformen Auslegung nach § 439 BGB rechtfertigt. Ein Urteil des EuGH bindet das vorlegende Gericht (vorliegend BGH) und alle Gerichte der Mitgliedsstaaten, die über die selbe Rechtslage zu entscheiden haben.

Der EuGH entschied mit seinem Urteil vom 16.06.2011 Akz.: C-65/09 und C-87/09 entgegen der Ansicht des Generalanwalts beim EuGH, welcher weder eine Ausbauverpflichtung noch eine Einbauverpflichtung aus der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie für gegeben erachtet dahingehend, dass nach dieser Richtlinie sowohl der Ausbau oder die Ausbaukosten als auch die Kosten für den Einbau umfasst werden.

Ein-Ausbaukostenersatz im Kaufrecht

Hierbei geht der EuGH grundsätzlich davon aus, dass der Unionsgesetzgeber die Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes des Verbrauchsgutes durch den Verkäufer ein wesentlicher Bestandteil des hierdurch gewährleisteten Verbraucherschutzes werden sollte. Durch die hierdurch statuierte Verpflichtung des Verkäufers, den vertragsgemäßen Zustand unentgeltlich zu bewirken, sei es im Rahmen der Nacherfüllung durch Lieferung einer neuen Sache oder gar durch Mangelbeseitigung, sollte der Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen geschützt werden, die ihn in Ermangelung eines solches Schutzes davon abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen. Durch die Richtlinie soll insgesamt ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet werden.

Wenn dem Verbraucher ein mangelhaftes Verbrauchsgut geliefert/übergeben wurde und er im Falle der Ersatzlieferung jedoch nicht den Ausbau und den Ersatz der Einbaukosten der Sache oder gar die entsprechende Kostenübernahme verlangen könnte, würde diese Ersatzlieferung für ihn zu zusätzlichen finanziellen Lasten führen, die er nicht gehabt hätte, wenn der Verkäufer den Kaufvertrag von Anfang an ordnungsgemäß durch Lieferung einer mangelfreien Sache erfüllt hätte. Die zur Disposition stehenden Ein- und Ausbaukosten sind Ausfluss dieser Pflichtverletzung des Verkäufers, da der Käufer bei ordnungsgemäßer (mangelfreier) Erfüllung die Einbaukosten nur einmal hätte tragen müssen und die Kosten für den Ausbau der mangelhaften Sache überhaupt nicht entstehen würden.

Auch kann dem Begriff der Ersatzlieferung in Art. 3 Abs. 2 und 3 Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie nicht entnommen werden, dass diese auf die Lieferung einer neuen (mangelfreien) Sache beschränkt ist. Er umfasst vielmehr auch den Ausbau der mangelhaften und den Einbau der erneut gelieferten mangelfreien Sache, da sich der Begriff in der Sprachfassung nicht auf die bloße Lieferung eines Ersatzes beschränkt, sondern auch darauf hinweisen könnte, dass eine Verpflichtung zum Austausch der gelieferten (mangelhaften) Sache besteht. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Richtlinie, wonach ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet werden sollte, was im Falle, dass lediglich die Lieferung einer neuen (mangelfreien) Sache geschuldet wäre, nicht gewährleistet wäre, da im Ergebnis dem Verbraucher die Kosten für den Ein-und Ausbau aufgebürdet werden würde.

Im Ergebnis schuldet daher die Beklagte gemäß § 439 Abs. 1 und 2 BGB die Nachlieferung einer neuen (mangelfreien Sache) und dem Grunde nach den Ausbau oder Ersatz der Kosten für den Ausbau der mangelhaften Sache und den Einbau der nachgelieferten neuen Sache.

Ausschluss der gewählten Art der Nacherfüllung im Kaufrecht gemäß § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB wegen Unverhältnismäßigkeit

Des weiteren hatte sich das Gericht damit zu beschäftigen, ob die Beklagte die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung (vorliegend, Lieferung einer neuen mangelfreien Sache) gemäß § 439 Abs. 3 Satz 1 verweigern kann, da diese nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich ist, was die Beklagte insoweit im Prozess auch geltend gemacht hat. Nach dem Vortrag der Beklagten, würden die Kosten der Nachlieferung 1200,00 € betragen, wobei die Ein- und Ausbaukosten (2123,37 € für den Ausbau und 3708,729 € für den Einbau der nachgelieferten Sache- Fliesen) insgesamt 5830,66 € betragen würden (=absolute Unverhältnismäßigkeit, von welcher der BGH ausgeht, wenn die Kosten der Nacherfüllung 150 % des Wertes der Sache im mangelfreien Zustand oder 200 % des mangelbedingten Minderwertes unter Wüdigung der konkreten Umstände im Einzelfall übersteigen würden). Des weiteren hat ein Sachverständiger insoweit festgestellt, dass die Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels unmöglich ist und somit nur die Nacherfüllung durch Lieferung einer neuen Sache in Betracht kommt.

Nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB auch dann anwendbar, wenn nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist, auch wenn diese unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht (absolute Unverhältnismäßigkeit).

Da ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt und die Richtlinie 1999/44/EG eingreift, ist auch insoweit der § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB richtlinienkonform auszulegen. Gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie besteht zwar ein Leistungsverweigerungsrecht bei Unverhältnismäßigkeit, jedoch setzt diese (bestimmt sich die Unverhältnismäßigkeit durch) ein Vergleich mit einer alternativen Abhilfemöglichkeit (relative Unverhältnismäßigkeit) und nicht durch Vergleich nach dem Verhältnis der Kosten der Nacherfüllung zum Wert der Sache (absolute Unverhältnismäßigkeit). Nach den Feststellungen des Sachverständigen besteht vorliegend keine alternative Abhilfemöglichkeit, so dass eine Verweigerung ausgeschlossen wäre. Nach den Ausführungen des EuGH wäre jedoch zum Schutz der berechtigten finanziellen Interessen des Verkäufers die Möglichkeit eröffnet, dass der Kostenerstattungsanspruch des Käufers für die Aus-und Einbaukosten beschränkt wird, was der Auslegung des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie nicht entgegenstünde. Insoweit hält es eine Entscheidung unter Zugrundelegung des konkreten Falles dahingehend für möglich, dass der Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der Kosten für den Ausbau der vertragswidrigen Verbrauchsgutes und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts, falls erforderlich, auf einen Betrag beschränkt wird, der den Wert entspricht, welchen das Verbrauchsgut hätte, wenn es vertragsgemäß wäre, wobei die Bedeutung der Vertragswidrigkeit angemessen zu berücksichtigen ist.

Demnach ist der Anspruch auf Lieferung der neuen Sache nicht durch das Leistungsverweigerungsrecht im Kaufrecht aus § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB beschränkt sowie hat der Kläger einen Anspruch auf Erstattung des Betrages der Aus-und Einbaukosten, welche den Wert der Kaufsache im mangelfreien Zustand und der Bedeutung der Vertragswidrigkeit als angemessen anzusehen ist. Da davon ausgegangen werden kann, dass der Wert der Fliesen im mangelfreien Zustand dem Kaufpreis entspricht (1382,37 €) und die Vertragswidrigkeit sich auf die Tatsache der mangelhaften Lieferung beschränkt, ist es gerechtfertigt, den Betrag für die Kosten des Ein-und Ausbaus der Kaufsache auf 1382,37 € zu beschränken.

Ob der BGH der vorstehenden Berechnung folgt und welche Voraussetzungen er (nunmehr) insoweit für die Unverhältnismäßigkeitsgrenze im Sinn des §§ 439 Abs. 3 BGB aufstellt, bleibt abzuwarten.

Der BGH hat mit Urteil vom 17. Oktober 2012, Akz.: VIII ZR 226/11, zu dieser Problematik ergänzend entschieden, dass diese Grundsätze nur für Verbraucherverträge, also zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer und nicht auf Verträge zwischen Unternehmern untereinander oder gar Verbrauchern untereinander gelten. Dies bedeutend im Ergebnis, dass wer bei Abschluss eines Vertrages in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit (Unternehmer § 14 BGB) mit einem ebenfalls gewerblichen oder selbständigen handelnden (Unternehmer) oder als Verbraucher (§ 13 BGB) mit einem ebenfalls handelnden Verbraucher Verträge schließt, nicht die selben oben genannten Rechte wie ein Verbraucher hat, welcher mit einem Unternehmer einen Vertrag schließt (Verbrauchervertrag), was im Streitfall beachtet werden sollte.

Sollten Sie im Streit mit Ihrem Vertragspartner über etwaiger Gewährleistungsrechte im Kaufrecht (Nacherfüllung, Rücktritt, Minderung, Schadensersatz) aufgrund einer mangelhaften Kaufsache sein, sollten Sie eine Beratung bei einem Rechtsanwalt / Anwalt in Anspruch nehmen, um auch unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung zu Ihrem Recht zu gelangen. Als Rechtsanwalt in Oranienburg vertrete ich Sie im Kaufrecht, sei es außergerichtlich, vor Gericht, aber auch bei der Abwehr von unberechtigten Forderungen gegen Sie.